Kannst Du die hormonfreie Verhütungsmethode Natural Cycles mit PCOS verwenden? Hier teile ich mit Dir meine Erfahrung mit der App.
Mein Leben vor Natural Cycles – Hormone, Kondome und Kupfer
Mein Weg zu Natural Cycles war ein langer und holpriger, der mich über verschiedene Verhütungsmethoden führte. Schnapp Dir eine Tasse Kaffee und mach Dich gemeinsam mit mir auf eine Reise durch meine Teenagerjahre und frühen Zwanziger.

Die Anti-Baby-Pille mit vierzehn
Die Pille habe ich bereits vor einigen Jahren abgesetzt. Ich habe sie zum ersten Mal verschrieben bekommen, als ich vierzehn Jahre alt war. Nicht etwa, weil ich sie aus medizinischen Gründen benötigt hätte – die Begründung lautete allein: “Weil ich ja jetzt in das Alter komme”. Empfohlen hat sie mir meine Mutter. Sie habe selbst jahrelang erfolgreich mit ihr verhütet und ohnehin würde das quasi jede Frau machen.
Obwohl ich gerne in der Zeit zurückreisen und sie schütteln würde, kann ich meiner Mutter diese Entscheidung nicht vorwerfen. Für ihre Generation stand die Pille für eine Art weibliche Befreiung. Sie konnten selbst darüber entscheiden, ob und wann sie schwanger würden und gleichzeitig ihre Sexualität unbeschwert genießen. Zu welchem Preis diese vermeintliche Unbeschwertheit kam, sollte sich erst Jahre später immer mehr herauskristallisieren.
Innerliche Vorwürfe mache ich stattdessen meiner damaligen Frauenärztin. Die Aufklärung über die Pille beschränkte sich auf die Aussagen, dass meine Haut reiner werden würde (ich litt nie sonderlich an Pickeln) und dass ich damit rechnen müsse, ein halbes Kilo zuzunehmen. Sie sprach also die Punkte an, die ihrer Meinung nach junge Mädchen in dem Alter interessierten – reine Haut und Gewichtszunahme.
Mir ist bewusst, dass das dem Bild entspricht, das die Gesellschaft von Teenagermädchen hat. Aber mir saß eine Frau gegenüber. Eine Frau, die jahrzehntelang in einem weiblichen Körper gelebt hatte. Die sich in einer Zeit durch ein langes, hartes Studium gekämpft hatte, in der es nicht üblich war, dass Frauen überhaupt studieren. Ihr ganzer beeindruckender Lebensweg hatte sie zu diesem Punkt geführt, an dem sie jungen Mädchen einen komplexen Hormoncocktail verschrieb, der in ihren noch wachsenden Körper eingreifen und ihn in vielerlei Hinsicht künstlich verändern würde. Und das tat sie mit einer automatisierten Selbstverständlichkeit und dem Hinweis auf eine minimale Gewichtszunahme.

Kondome und die Angst vor der Schwangerschaft
Die Pille nahm ich ein paar Jahre lang, setzte sie dann wieder ab und nahm sie wieder. Der Hauptgrund dafür war zunächst mein Beziehungsstand – in einer festen Beziehung verzichtete man schließlich auf Kondome und verhütete mit der Pille. Das war das unhinterfragte Mittel der Wahl.
In den Zeiten dazwischen verwendete ich Kondome und war wegen des geringeren Schutzniveaus ständig geplagt vor der Angst, schwanger zu sein. Nicht, weil ich Grund zu der Annahme gehabt hätte – sondern einfach, weil Kondome zwar vor Geschlechtskrankheiten schützen, aber als Verhütungsmittel nicht als optimal gelten.
Diagnose PCOS und die Rückkehr der Pille
In meinen späten Teenagerjahren blieb meine Periode schließlich für ein halbes Jahr ganz aus. Sämtliche Schwangerschaftstests waren negativ, aber ich schleppte mich trotzdem nach dem ersten Monat panisch zu meiner Frauenärztin. Sie diagnostizierte PCOS und erklärte mir, dass das etwas Hormonelles sei, das nicht geheilt werden könnte. Ich unterdrückte meine Tränen und bat um mehr Informationen. Sie verließ den Raum, ließ mich fünfzehn Minuten warten und schickte dann ihre Sprechstundenhilfe hinein – mit einem ausgedruckten Wikipedia-Artikel über PCOS.
Fassungslos verließ ich die Praxis, rief meine Mutter an und wir weinten beide – auch sie hatte von der Diagnose noch nie etwas gehört. Zuhause stürzte ich mich in stundenlange Recherchen, um herauszufinden, dass ich nicht sterben müsse – PCOS betrifft ca. fünf bis zehn Prozent aller Frauen.
Ich wechselte die Frauenärztin und ließ mich von meinem jetzigen Arzt aufklären. Er sagte mir, dass der Grund für das Verhalten meiner ehemaligen Ärztin vermutlich die Tatsache war, dass über PCOS nicht viel bekannt sei. Dabei handele es sich um eine häufig auftretende Hormonstörung, deren Ursachen allerdings nicht klar seien. Mit der Pille könnte ich meinen Zyklus wieder ins Gleichgewicht bringen und meine ausbleibende Periode zurückbekommen. Erschöpft von den letzten Monaten und ließ ich mich darauf ein und begann erneut, die Pille zu nehmen in der Hoffnung, mich endlich wieder wie mich selbst zu fühlen.
Erst Jahre später habe ich erfahren, dass die Pille nicht die “normale” Periode zurückbringt. Sie zwingt den Körper jeden Monat zu einer Art Abbruchblutung. Ich fühlte mich nach der Rückkehr zur Pille in meinem Körper fremder denn je. Mir ging es nicht direkt schlecht – aber ich hatte das Gefühl, dass sich ein Schleier zwischen mich und die Welt gelegt hatte. So, als dürfte ich sie nicht mehr mit meinen eigenen, reinen Emotionen erleben.
Zurück zu Kondomen und der Kupferkette
Ich recherchierte weiter über PCOS und die Pille. Nach Jahren fasste ich mir schließlich ein Herz und bat meinen Frauenarzt darum, die Pille absetzen zu dürfen. Ich hatte mich dazu entschieden, meine Ernährung umzustellen und auf natürliche Weise meine Hormone in ein Gleichgewicht zu bringen. Er reagierte kritisch mit einem Hauch von Zuversicht.

In den Monaten darauf folgte eine große Erleichterung. Nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, konnte ich förmlich spüren, wie ich nach und nach zu mir selbst zurückfand. Meine Periode kehrte zurück – diesmal die richtige – und ich fühlte mich frei.
Als ich kurze Zeit später mit meinem jetzigen Freund zusammen kam, entschied ich mich für die Kupferkette – eine hormonfreie und sehr sichere Verhütungsmethode. Die “Verwendung” war einfach und unkompliziert. Trotzdem fühlte ich mich bei dem Gedanken, einen Fremdkörper in mich hineingetackert zu haben, unwohl. Auch gelegentliche ziehende Schmerzen begleiteten von nun an meinen Alltag – im Sitzen, beim Gehen und bei *anderen* Aktivitäten. Das veranlasste mich schließlich dazu, mir die Kupferkette nach guten vier Jahren wieder entfernen zu lassen.
Natural Cycles – die App zur Verhütung
Nun stand ich also wieder ratlos am Anfang meiner Reise durch die Welt der Verhütung. Die Einnahme der Pille kam zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für mich infrage, ebenso wenig wie andere hormonelle Methoden. Mein Zyklus schwankt zwischen vier und sieben Wochen und ist damit unregelmäßig – darüber hinaus nehme ich mein PCOS nicht wahr.

Ausgerechnet auf YouTube habe ich von Natural Cycles erfahren. Dabei handelt es sich um eine App zur Verhütung, die die altbekannte Temperaturmessmethode mit einem eigens dafür entwickelten Algorithmus kombiniert und auf diese Weise zu einer Effektivität von 93 Prozent beim “normalen Gebrauch” und 98 Prozent bei “perfektem” Gebrauch führen soll.
Natural Cycles ermöglicht eine hormonfreie, nicht-invasive Verhütung mit einer verhältnismäßig hohen Sicherheit. Die App klang zu gut um wahr zu sein. Das einzige Manko war, dass mir mein PCOS einen unregelmäßigen Zyklus bescherte. Das sei laut Natural Cycles aber kein Problem – ich müsse lediglich mit mehr “roten” Tagen rechnen. Mit der Farbe Rot markiert die App die Tage, an denen Du fruchtbar bist oder an denen sie zumindest nicht davon überzeugt ist, dass Du unfruchtbar bist. An diesem Tagen solltest Du also ein anderes Verhütungsmittel verwenden (zum Beispiel Kondome) oder auf Geschlechtsverkehr verzichten. Die Sicherheit von Natural Cycles sei durch PCOS aber nicht herabgesetzt.
Aufgeregt schloss ich das Abo ab und bestellte mein Thermometer, das kostenlos in der Nutzung der App enthalten ist. Ich freute mich auf einen neuen Lebensabschnitt und darauf, meinen Körper in seiner ganz natürlichen Form besser kennenzulernen.
Meine Erfahrung mit Natural Cycles
Als das Thermometer endlich bei mir eintrudelte, platzierte ich es direkt neben meinem Bett. Hier würde ich nun jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen meine Temperatur messen. Wichtig ist dabei, dass Du sofort nach dem Aufwachen misst und Dich nicht erst herumwälzt oder gar aufstehst, da das Deine Temperatur beeinflussen kann. Zudem solltest Du täglich möglichst zur gleichen Uhrzeit messen. Natural Cycles hat erkannt, dass ich zum Beispiel gegen 7:00 aufwache und empfiehlt mir ein Messfenster von 5:00 bis 9:00.
Gesagt, getan – gewissenhaft nahm ich ausnahmslos jeden Morgen meine Temperatur, weckte mit dem lauten Biep des Thermometers meinen armen Freund und trug meine Temperatur in die App ein. Der Prozess schien einfach. Wie erwartet waren sehr viele Tage rot. Nur die Tage während meiner Periode waren grün (und damit ein Freifahrtschein für Geschlechtsverkehr ohne Schwangerschaftsverhütung). Ich machte mir keinen großen Kopf und hoffte auf baldige Besserung in den darauffolgenden Zyklen.
Das Warten auf die grünen Tage
Mein Start mit Natural Cycles fiel in eine stressige Phase meines Lebens und insbesondere meines Jobs. Gerade mein zweiter Zyklus erstreckte sich über fast 50 (!) Tage. Darauf folgte einer, der laut der Verhütungsapp überhaupt keinen Eisprung enthielt und dann kam ein Zyklus von guten drei Wochen. Mein Hormonhaushalt war so durcheinander wie lange nicht mehr.
Die grünen Tage blieben lange aus. Als ich zum Ende eines Zyklus meine Periode eingab, gestand mir Natural Cycles, dass mein Eisprung bereits vor Wochen war. Ich hätte also längst nicht mehr verhüten müssen – das hat die App aber erst jetzt, im Nachhinein, erkannt, als es mir nichts mehr brachte. Mit jedem neuen Zyklus wiederholte sich die Geschichte und meine Frustration wuchs und wuchs.
Seit Monaten sieht meine Verhütung also so aus: Ich verwende fast ausnahmslos Kondome und messe morgens meine Temperatur. Natural Cycles erlaubt mir dann, während meiner Periode ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben – das ist natürlich Geschmackssache.
Hätte ich auf Natural Cycles gehört, wäre ich jetzt schwanger
Bereits in einem meiner ersten Zyklen mit der App zur Verhütung wurden mir bis kurz nach meiner Periode grüne Tage angezeigt. Am 2. Februar hätte ich laut Natural Cycles noch problemlos ungeschützten Geschlechtsverkehr haben können. Ebendiese App hat meinen Eisprung auf den 4. Februar datiert – also zwei Tage später. Sperma überlebt bis zu fünf Tage in der Vagina.

Zum Glück haben wir diese grünen Tage nicht *ausgenutzt*. Da es sich dabei um meinen dritten Zyklus mit Natural Cycles handelt, hat mir das aber einen Schrecken versetzt. Wenn bereits zu Beginn so ein Patzer passiert – wie sieht dann die langfristige Zukunft mit der Verhütungsapp aus?
Die Schwächen von Natural Cycles mit PCOS
Ich messe nach wie vor täglich meine Temperatur. Ich messe irgendwann zwischen 6:15 und 8:30 und liege damit gut in dem von Natural Cycles vorgeschlagenen Fenster. Meine Temperaturschwankung wird als good bezeichnet. Bei der genaueren Betrachtung fällt aber auf, dass die später (gegen 8:00) eingegebenen Temperaturen fast durchweg höher ausfallen als die früh (gegen 6:30) eingegebenen Temperaturen. Die meisten meiner Temperaturhügel sind also auf die unterschiedlichen Messzeiten zurückzuführen. Natural Cycles will aber daran meinen Eisprung erkennen, was mich an der Methode zweifeln lässt.
Ich würde gerne jeden Morgen um Punkt 7:00 meine Temperatur messen. Das ist mir aber nicht möglich, da mein Freund mich manchmal zu früheren Uhrzeiten versehentlich wach macht. Gleichzeitig möchte ich mich nicht bereits um 5:30 von meinem Wecker aufschrecken lassen, nur, um zu der exakt gleichen Uhrzeit messen zu können.
Ich muss dazu sagen, dass ich keinen Alkohol trinke (nein, wirklich nie) und laaaange lange nicht mehr abends weg war. Das alles beeinflusst die Temperatur am nächsten Morgen. Stattdessen bleibe ich nüchtern und gehe in einer gleichbleibenden Zeitspanne ins Bett (zwischen 22:00 und 23:30).

Verhütung mit Natural Cycles und PCOS – mein Fazit
Dass ich nahezu ausschließlich rote Tage bekomme, frustriert mich. Trotzdem kann ich dies der App nicht vorwerfen, da Natural Cycles ausdrücklich davor warnt, dass Frauen mit PCOS weniger grüne Tage erhalten.
Wirklich verunsichert hat mich erst die Anzeige eines grünen Tags zwei Tage vor meinem Eisprung. Das sollte nicht passieren und lässt mich seitdem an der Wirksamkeit der App zweifeln.
Auch die Erkenntnis, dass meine Temperaturunterschiede meist auf die Uhrzeit, zu der ich morgens messe, zurückzuführen sind, macht mich stutzig. Ich bin aber natürlich kein Experte und mir ist bewusst, dass die Temperaturmethode schon lange existiert und keine neue Erfindung von Natural Cycles ist. Trotzdem hinterfrage ich seitdem, auf was ich mich da eigentlich verlasse.
Kann ich Natural Cylces bei PCOS empfehlen? Die Frage muss ich leider verneinen. Ich wollte die App zur Verhütung grandios finden und habe mich lange auf sie gefreut. Jetzt muss ich ehrlicherweise sagen, dass sich meine Verhütung wieder auf die Nutzung von Kondomen beschränkt. Ich bin also nach wie vor auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau unter den Verhütungsmitteln, die hormonfrei, unkompliziert und verhältnismäßig sicher funktioniert. Die Verhütung mit Natural Cycles wäre aber auch zu schön gewesen.
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